Segelboot strandet und gerät in Piratenjagd – was die Besatzung unternimmt, um zu überleben, verblüfft alle!
Kapitel 1: Die Ruhe vor dem Sturm
Der Ozean erstreckte sich wie flüssiges Glas unter einem Himmel, der in sanften Gold- und Hellblautönen schimmerte. Die Morgensonne stand tief am Horizont, ihr Licht ergoss sich in gebrochenen Spiegelungen über das kräuselnde Wasser, die wie verstreute Münzen glitzerten. Die Aurora’s Wake glitt sanft durch die Wellen, die Segel straff gespannt, der Holzrumpf knarzte rhythmisch im Wind. Alles an dieser Szene strahlte Frieden aus – jenen Frieden, den nur das Meer besaß, bevor es seine Meinung änderte.
Ethan Calder stand am Steuerrad, die Hände ruhten leicht auf dem Ruder. Die Bewegung des Bootes war ihm so vertraut wie das Atmen. Jahrzehntelang hatte er auf dem Wasser verbracht und gelernt, dessen Stimmungen zu lesen, lange bevor GPS oder Sensoren ihm sagen konnten, was es dachte. Sein Gesicht war von Jahren des Windes und des Salzes rau, seine Augen halb im Schatten seiner Mütze verborgen. Für jeden anderen wirkte er wie ein Teil des Schiffes selbst – ruhig, wettergegerbt, standhaft.
Ethan Calder stand am Steuer, die Hände ruhten leicht auf dem Rad. Auf der anderen Seite des Decks hockte ein jüngerer Mann neben einer Reihe wasserdichter Koffer und hantierte an den Verschlüssen herum, wie ein Chirurg vor einer Operation. Liam Ross war jemand, der jedes Detail für heilig hielt. Jeder Koffer enthielt empfindliche Instrumente, die mehr wert waren als das Boot selbst – Sensoren, Kameras und Spezialsonden zur Erforschung der fragilen Korallenriffe weit draußen auf See. Er hatte sie selbst gepackt, beschriftet und mit doppelten Lagen Schaumstoff und Klebeband versiegelt. Für ihn waren sie nicht nur Werkzeuge; sie waren seine Bestimmung.
„Du behandelst die Dinger wie Neugeborene“, sagte Ethan mit trockenem, aber nicht unfreundlichem Ton. Liam blickte auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Sie sind wertvoller als ich. Wenn ich sie verliere, werde ich das nächste Jahr damit verbringen zu erklären, warum die Fördermittel im Meer versunken sind.“ Ethans Mundwinkel zuckten – das war das, was einem Lächeln am nächsten kam. „Dann verlier sie nicht.“
Er wandte sich wieder dem Meer zu, den Blick auf den schwachen Schimmer des fernen Horizonts gerichtet. Der Wind war stetig, stark genug, um die Segel straff zu halten, aber nicht so stark, dass die Taue ächzten. Es war ein perfekter Morgen – einer jener Morgen, an denen selbst erfahrene Seeleute vergessen, dass Perfektion nie von Dauer ist.
Liam beendete seine Inspektion und kritzelte Notizen in ein verwittertes Notizbuch. Gleichungen füllten die Seiten, winzige Zahlen und Skizzen von Strömungen und Korallenformationen. Er arbeitete mit der stillen Intensität eines Menschen, der ganz in seinen Gedanken versunken war. Ethan ließ ihn gewähren. Er kannte diesen Rhythmus – diese Art von Konzentration, die nur Menschen mit einem Ziel vor Augen aufrechterhalten konnten.
Die einzigen Geräusche waren das Plätschern der Wellen gegen den Rumpf und das leise Knarren des Mastes. Über ihnen glitt eine Möwe gemächlich dahin, ihr Spiegelbild blitzte auf der Wasseroberfläche auf, bevor es wieder verschwand.
„Das ist doch nicht deine erste Fahrt hier draußen, oder?“, fragte Ethan nach einer Weile.
Liam blickte von seinen Notizen auf. „Nein. Ich habe diese Riffe schon mal kartiert – aber diesmal versuche ich, Langzeitdaten zu Temperaturveränderungen und Wanderungsmustern zu sammeln. Du weißt schon, die wichtigen Dinge.“
Ethan hob eine Augenbraue. „Die Art von Dingen, für die man Ausrüstung im Wert von einer Million Dollar braucht und kein Ersatzsegel?“
Liam lachte schwach und bemerkte den Stich in Ethans Tonfall nicht. „Die Stiftung wollte Ergebnisse, keine Ersatzteile.“
„Stiftungen ertrinken nicht, wenn etwas schiefgeht“, sagte Ethan fast zu sich selbst. Liams Gesichtsausdruck verfinsterte sich kurz, wurde dann aber weicher. „Ich habe dich gebucht, weil du das länger machst als alle anderen. Ich dachte, falls etwas schiefgeht, wüsstest du, was zu tun ist.“
Ethan antwortete nicht sofort. Er justierte nur ein wenig am Steuerrad und beobachtete den Horizont. „Erfahrung macht das Meer nicht gnädiger“, sagte er schließlich. „Sie lehrt dich nur, wann man nicht mit ihm streiten sollte.“
Liam lächelte schwach. „Also streiten wir heute nicht damit?“
„Noch nicht“, sagte Ethan.
Die Stunden vergingen. Das Meer glitzerte wie ein Lichtfeld. Die Aurora’s Wake glitt im Rhythmus des Windes dahin, jede Bewegung so sanft, dass selbst die Taue im Takt der Wellen zu atmen schienen. Liam überprüfte erneut seine Instrumente, kalibrierte Sensoren und justierte Gurte. Der Geruch von Salz und Lack lag in der Luft.
„Der Wind ist konstant“, sagte Ethan, mehr zu sich selbst. „Fast schon zu konstant.“ Liam blickte verwirrt auf. „Ist das ein schlechtes Zeichen?“ Ethan zuckte mit den Achseln. „Das Meer mag es nicht, lange stillzustehen.“ Liam sah sich um. Der Horizont war leer – kein Land, keine Schiffe, nichts als das sanfte Rollen des Wassers. „An diese Stille könnte ich mich gewöhnen.“
„Vorsicht“, sagte Ethan. „Dann erwischt sie dich.“ Liam kicherte, weil er dachte, es sei ein Scherz, aber Ethan lächelte nicht. Sein Blick blieb auf den endlosen Horizont gerichtet. Einen Moment lang drehte der Wind leicht – kaum genug, um den Rand des Großsegels zu kräuseln –, dann flaute er wieder ab.
Mittags stand die Sonne hoch am Himmel, und die Luft war schwül. Ethan steuerte das Boot auf seinem Kurs und überprüfte die Koordinaten auf einer kleinen digitalen Seekarte neben dem Steuerrad. Liam saß an Deck, die Füße baumelnd, und beobachtete, wie das Meer unter ihm in Blau- und Grüntönen schimmerte. Er erzählte von seinem Projekt – davon, wie Korallenriffe wie Unterwasserstädte seien, lebendig und zerbrechlich, über Jahrhunderte entstanden und in Jahrzehnten zerstört. Ethan hörte nur halb zu und ließ die Begeisterung des Jüngeren die Stille füllen.
„Du buchst mich immer“, sagte Ethan schließlich, ohne ihn anzusehen. „Warum?“
Liam zögerte. „Weil ich weiß, dass ich mit meiner Ausrüstung unversehrt zurückkomme. Und ohne seekrank zu werden.“
„Das ist alles?“ Liam dachte kurz nach und grinste dann. „Vielleicht, weil du mir das Gefühl gibst, dass ich mir keine Sorgen machen muss.“
Ethan antwortete nicht. Sein Blick ruhte wieder auf dem Wasser, auf der schwachen weißen Linie, die eine wechselnde Strömung markierte. Etwas lag in seinem Kiefer – eine Anspannung, die nichts mit dem Gespräch zu tun hatte.
„Eine faire Antwort“, sagte er nach einer langen Pause.
Das Nachmittagslicht wurde schärfer, das Meer blendend hell. Das Rauschen des Windes auf dem Segeltuch war gleichmäßig, rhythmisch – hypnotisch. Liam lehnte sich zurück, schloss kurz die Augen und ließ sich von dem Geräusch einlullen. Er bemerkte nicht, wie Ethan sich plötzlich am Steuer aufrichtete.
Ein Beben durchfuhr den Rumpf – erst schwach, dann heftiger, als ob das Meer selbst den Atem anhielt. Ethans Kopf schnellte hoch. „Halt dich fest!“, bellte er.
Der Aufprall kam wie ein Schuss. Das Boot ruckte zur Seite und schleuderte Liam gegen die Reling. Das scharfe Geräusch reißenden Segeltuchs zerriss die Luft, als das Großsegel von oben bis unten zerriss.
„Was war das?“ Liam keuchte auf und sprang auf die Füße.
„Riff“, sagte Ethan mit zusammengebissenen Zähnen und setzte sich bereits in Bewegung. „Wir sind auf einen Felsen aufgelaufen.“ Er packte den Rand des zerrissenen Segels und versuchte, es vor dem endgültigen Zerreißen zu bewahren. Der Wind packte es wie Krallen, zerrte und verdrehte den Stoff, bis die Nähte mit einem widerlichen Riss nachgaben. Liam eilte herbei, um zu helfen, seine Hände waren ungeschickt auf dem rauen Stoff, aber es war zwecklos.
Ethan ließ das Seil fallen und atmete scharf aus. „Es ist vorbei.“
„Und was nun?“, fragte Liam mit erhobener Stimme.
„Ohne Segel können wir nicht segeln“, sagte Ethan emotionslos. „Nicht, es sei denn, wir hätten ein Ersatzsegel.“ Liam blinzelte, ihm stieg die Röte ins Gesicht. „Haben wir nicht?“ Ethan warf ihm einen Blick zu. „Nein. Weil die Hälfte des Lagers mit deinen Kisten voll ist.“ Liam blickte auf die gestapelten Kisten, Schuldgefühle überkamen ihn. „Ich dachte …“
„Ja“, unterbrach Ethan ihn. „Da hast du dich geirrt.“ Er griff schnell zum Funkgerät und legte Schalter um. Der Lautsprecher rauschte, bevor eine Stimme durchbrach – ruhig, offiziell, mit knappem, professionellem Akzent. „Hier spricht die Küstenwache. Koordinaten notieren. Hilfe ist unterwegs. Vier Stunden.“
Ethan gab ihre Position durch und wartete. „Verstanden“, sagte die Stimme. „Bleiben Sie hier. Wir kommen.“
Die Übertragung endete. Die Stille, die folgte, war drückend, so dass jedes Knarren des Rumpfes lauter klang.
„Vier Stunden“, wiederholte Liam leise. „Das ist gar nicht so schlimm.“
Ethan antwortete nicht. Stattdessen beobachtete er das Wasser – die langsame, träge Strömung, die sie bereits von ihrem Kurs abtrieb.
„Ja“, sagte er schließlich. „Wenn das Meer ruhig bleibt.“
Die Nachmittagssonne sank tiefer und tauchte den Horizont in ein tiefes Bernsteinrot. Das Meer war spiegelglatt, unheimlich ruhig. Liam saß an Deck und beobachtete, wie das Licht über die zerrissenen Kanten des Segels spielte. Ethan stand am Steuerrad und suchte die Wellen nach einem Zeichen der Rettung – oder irgendetwas anderem – ab.
Als das Funkgerät erneut zischte, blickten beide Männer auf.
Eine neue Stimme knisterte durch das Gerät – rau, stockend, die Worte schwerfällig und unbeholfen. „Genaue Position angeben. Wiederholen.“
Ethan runzelte die Stirn. „Das ist nicht dieselbe Stimme.“
Liam beugte sich näher. „Vielleicht ein anderer Offizier?“
„Vielleicht“, murmelte Ethan. Doch irgendetwas in ihm beschlich ihn. Der Tonfall stimmte nicht – zu scharf, zu befehlend.
Er wiederholte die Koordinaten langsam und bat um Bestätigung. Stille.
Er wartete dreißig Sekunden, dann eine Minute. Immer noch nichts. Nur das gleichmäßige Rauschen des Funkgeräts.
Liam atmete aus. „Ich schätze, sie haben es empfangen.“
Ethan rührte sich nicht. Seine Hand blieb am Funkgerät. „Vielleicht.“
Das Licht draußen veränderte sich erneut – Gold wich Rot, Rot verblasste zu Grau. Das Meer, das den ganzen Tag ruhig gewesen war, fühlte sich nun anders an. Zu still. Zu ruhig. Ethans Blick ruhte noch lange auf dem Horizont, nachdem die Sonne untergegangen war.
Er sprach es nicht aus, aber er wusste es tief in seinem Inneren. Der Tag war noch nicht vorbei. Das Meer änderte seine Meinung.
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